Beschluss des Gemeinderats

Lahr wählt eine spezielle Form des Umgangs mit Erinnerung und beteiligt Privatpersonen an einer Maßnahme im Öffentlichen Raum. Hauseigentümer sollen ihr Einverständnis erteilen, wenn vor ihrem Anwesen auf dem Gehweg ein Gedenkstein verlegt werden soll. Auf eine schriftliche Fixierung dieser Einschränkung verzichten die Verantwortlichen allerdings, wie bereits erwähnt.


Das Projekt „Stolpersteine“– Kunstprojekt zum Gedenken an Verfolgte und Opfer des NS-Regimes“ wird erstmals am 14.05.2003 nicht öffentlich im Kulturausschuss beraten. Das Gremium „nimmt das Vorhaben zustimmend zur Kenntnis“.


Am 30.06.2003 erhält der Gemeinderat der Stadt Lahr eine Sitzungsvorlage mit zahlreichen Informationen aus dem Internet, zusammen gestellt durch den Verantwortlichen im Stadtarchiv, und trifft in seiner öffentlichen Sitzung folgende Entscheidung:

  1. Der Gemeinderat stimmt dem Projekt „Stolpersteine – Kunstprojekt zum Gedenken an die Lahrer Juden und andere Verfolgte des NS-Regimes grundsätzlich zu.
  2. Sobald die ersten zehn Patenschaften vorbereitet sind, wird sich der Gemeinderat erneut damit befassen.
  3. Das Projekt der Privatinitiative wird im Einvernehmen mit der Stadt Lahr umgesetzt.


Abstimmungsergebnis: 30 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen, keine Enthaltung

Unter Punkt 2 sind Einverständnisse von Hauseigentümern zu verstehen. Eine „Patenschaft“ in diesem Kontext bedeutet die Bereitschaft, einen „Stolperstein“ zum damaligen Preis von 95 € (heute 120 €) zu finanzieren. Diesen Betrag veranschlagt Künstler Demnig für die Herstellung des Gedenksteins, die Recherche durch jeweils regionale Engagierte erfolgt ehrenamtlich. Unklar und unkonkret bleibt, was die Verantwortlichen der Stadt Lahr unter Punkt 3 verstehen.


Die Diskussion zeigt, dass ein Teil des Gremiums aus den konservativen Fraktionen Bedenken hat wegen des Projekts und deshalb die Anliegen von Hauseigentümern einbeziehen möchte. Der Kulturamtsleiter schlägt deshalb vor, zehn Einverständnisse des oben erwähnten Personenkreises einzuholen. Mit dieser Auflage bin ich als Privatperson gegenüber Privatpersonen mehr oder weniger allein und mir selbst überlassen.


Am 26.11.2003 findet erneut eine nichtöffentliche Vorberatung im Kulturausschuss statt. Das Gremium stimmt über eine Vorschlagsliste für die Verlegung von fünf Gedenksteinen ab. Da einige Hauseigentümer ihr Einverständnis verweigerten, waren zehn Zustimmungen zum damaligen Zeitpunkt nicht realisierbar. Insbesondere schwierig war die Zustimmung von Hauseigentümern ehemals jüdischer, arisierter Immobilien einzuholen. Der Beschlussvorschlag lautet:

  1. Der Vorschlagsliste von Frau Gardy Ruder wird zugestimmt und der Verlegung der „Stolpersteine“ die Einwilligung erteilt.
  2. Um in Zukunft weiterer Opfer des Nationalsozialismus in Lahr gedenken zu können und der Verfolgung in Art und Umfang gerecht werden zu können, wird das Projekt fortgesetzt.
  3. Der Gemeinderat wird sich zu einem späteren Zeitpunkt, wenn neue Patenschaften und Standorte vorliegen, erneut mit dem Projekt befassen.


In seiner öffentlichen Sitzung am 15.12.2003 stimmt der Gemeinderat der Beschlussvorlage vom 26.11.2003 zu. Die ersten fünf Gedenksteine für jüdische Verfolgte und Opfer können am 12. Januar 2004 durch Gunter Demnig verlegt werden.


Eine weitere öffentliche Erörterung unterbleibt. Vielmehr trifft der Oberbürgermeister mehrfach in Absprache mit dem Ältestenrat der Stadt Entscheidungen, obwohl das Gremium kommunalrechtlich eigentlich nur beratende Funktion hat. Die Bevölkerung bleibt darüber uninformiert. (Auswirkungen des Gemeinderatsbeschlusses)